Art of Coding

21. April 2020

Demoszene als immaterielles Kulturerbe in Deutschland nominiert

Art of Coding

Der Kölner Verein Digitale Kultur e.V. hat es geschafft. Erstmalig wird mit der Demoszene von der UNESCO in NRW eine digitale Kulturform für die Listen des lebendigen UNESCO Kulturerbes in Deutschland nominiert. Weitere Hürden sind noch zu nehmen, die finale Bestätigung auf Bundesebene steht Anfang 2021 an.

Wie das Ministerium für Kultur und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen Ende letzter Woche bekannt gab, wurde die Demozene für die Aufnahme in das nationale Deutsche UNESCO Kulturerbeverzeichnis nominiert. Zusammen mit drei anderen Kulturen wählte die Jury aus insgesamt 18 Anträgen die Demoszene als anerkennungswürdig aus.

Nach der wegweisenden Entscheidung in Finnland von letzter Woche, in der die Demoszene als nationales Finnisches UNESCO Kulturerbe anerkannt wurde, ist die Entscheidung in Deutschland ein weiterer Erfolg für die Art of Coding Kampagne, unter deren Schirm derzeit auch in anderen Ländern ähnliche Anträge vorbereitet werden.

Was ist die Demoszene?

Seit Beginn der Heimcomputer-Ära in den frühen 1980ern ist die Demoszene Spielort für Grenzgänger und Kreativ-Explorer der digitalen Revolution. Sie hat sich insbesondere der Produktion von softwaregenerierten Musikvideos verschrieben, die in Echtzeit vollständig durch selbstgeschriebene Programme generiert werden. Beginnend in den 80ern, mit sogenannten Intro-Vorspännen vor geknackten Spielen, hat sich die Kunst und Kultur der Szene beständig weiterentwickelt, um seit den 90ern in eigenständigen audiovisuellen Echtzeit-Animationen ihr Können abseits vorgegebener Regeln von Hard- und Software auszuleben. Einerseits ist die Demoszene ein globales Phänomen, das viele andere digitale Kontexte mit beeinflußt hat, andererseits aber immer auch eine regelmäßig ganz physische Kultur auf den Treffen der Szene. Denn seit Jahrzehnten bilden die Demopartys als regelmässige Zusammenkünfte einen Ort zum Austausch, Ausleben und Fortentwicklung der eigenen Kultur.

Historische Entscheidung als verspätetes Ostergeschenk

Gerade nachdem die Revision, die traditionell an Ostern stattfindende, weltgrößte Zusammenkunft von Demoszenern, ins Internet verlegt werden musste, ist die Nominierung der Demoszene für die bundesweite Liste ein großartiges verspätetes Ostergeschenk.

Dass sich sich die deutschen Jury-Experten der historischen Tragweite ihrer Entscheidung bewusst gewesen sind, legt der Nominierungsbescheid nahe: „Da mit der ‘Demoszene’ in Nordrhein-Westfalen erstmalig eine Kulturform aus dem Bereich der digitalen Kultur für die Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis vorgeschlagen wurde, hat die Landesjury für das Immaterielle Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen die Bewerbung intensiv diskutiert.”

Digitales Kulturerbe

Tobias Kopka, vom Kölner Antragsteller Digitale Kultur e.V., verantwortlich für den Antrag in Deutschland und die Community-Arbeit der übergreifenden Art of Coding Initiative, ist begeistert: „Mit der Demoszene wird erstmalig eine digitale Kultur für das bundesweite Verzeichnis des immateriellen UNESCO Kulturerbe nominiert. Die Demoszene setzt sich als technisch-kreative Kulturgemeinschaft seit Dekaden über jedwede Grenzen hinweg und versteht sich im besten Sinne als transnational. Der gemeinsame Antrag treibt die Diskussion um einen zeitgemäßen Einbezug aller digitalen Kulturformen in den selbstverständlichen Kanon der Kulturbewahrung und -förderung voran.”

Über das Verständnis der Jury im Nominierungsbescheid, dass ‘neben der technischen Exzellenz ein stark international ausgerichtetes Gemeinschaftsgefühl zu den Identifikationsfaktoren der Szene gehört’, freut sich besonders Andreas Lange von EFGAMP e.V., der für die Koordination der internationalen Anträge bei Art of Coding verantwortlich ist. “Weil die Demoszene von Anfang an als digitale Kultur international war, ist jede nationale Anerkennung ein wichtiger Meilenstein, da so die Chancen steigen, die Demoszene auch international anerkennen zu lassen. Da sich die Demoszene wesentlich in Europa ausgeprägt hat, ist dies auch eine Gelegenheit, eine dezidiert Europäische Kulturpraxis zu benennen, die als digitale untrennbar mit den heutigen und zukünftigen kulturellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten verknüpft ist.”

Gemeinschaftsgefühl und kollektive Anstrengung

Tobias Kopka: “Es geht darum, deutlich zu machen, dass digitale Kultur dezentral, selbst-organisiert, anonym und wettbewerbsorientiert sein kann, und dennoch ein starkes Zusammenhörigkeitsgefühl und eine Community mit besonderem Wissen, Geschichten und Traditionen entstehen kann, die man als digitales Brauchtum bezeichnen könnte, sich gleichzeitig aber permanent weiterentwickelt. Viele der klassischen Kulturbegriffe kommen hier an ihre Grenzen. Und diese Gemeinschaftserfahrung drückt sich nicht nur in der Unterstützung vieler Demogruppen, Demopartys und Einzelpersonen der Szene aus – die positiven Rückmeldungen, die wir erhalten, gehen erfreulicherweise weit über die der Demoszene hinaus. Das ist klasse und wir freuen uns über jede Unterstütung, denn es geht ja gerade erst los!”

Spannend bleibt es mindestens bis Anfang 2021, da noch zwei weitere Hürden genommen werden müssen – die Bestätigung durch die Kultusministerkonferenz und die Prüfung durch eine unabhängige Expertenkommission auf Bundesebene. Und hat all das geklappt, dann steht der Beginn eines transnationalen Antrages auf dem Plan, dem sich dann alle Länder anschließen können, die die Demoszene in ihr nationales Kulturerbe aufgenommen haben.

Die Initiatoren Kopka und Lange zeigen sich optimistisch: „Die Zeit ist reif, dass mit der Demoszene die erste digitale Kulturform ins lebendige UNESCO Kulturerbe in Deutschland aufgenommen wird“.

Pressemitteilung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen
Art of Coding: Digital culture as part of the Intangible Cultural Heritage of Humanity